Ausprobiert: Silver Dawn, Silversea

Reiseberater aus aller Welt waren live dabei, als die Champagner-Flasche am Bug der neuen Silver Dawn zerschellte: Die Taufe fand Ende März vor der Kulisse Lissabons im Anschluss an eine dreitägige Shakedown Cruise statt. Die Mission "Schiff erkunden" gestaltete sich denkbar angenehm: Mit der Silver Dawn wird erstmals das neue Wellbeing-Konzept Otium von Silversea eingeführt. (Ent-)Spannend!

Ein Erlebnisbericht von LuxusInsider-Chefredakteurin Iris M. Köpke

Das Schiff

­Die Silver Dawn ist das zehnte Schiff der Silversea-Flotte. Sie ist baugleich zur Silver Muse und zur Silver Moon. Maximal 596 Gäste passen in die 298 Kabinen, bis zu 414 Crew-Mitglieder sorgen für deren Wohlbefinden. Allen voran Cruise Director Vicky van Tassel, der wirklich der Schalk aus den Augen blitzt. Ihre Herzlichkeit, ihr frecher Witz und die gute Laune sind ansteckend! Das dürfte aber auch das einzige sein, was man sich hier einfangen kann: Wie auf wohl allen Luxus-Kreuzfahrtschiffen gibt es auch auf der Silver Dawn umfangreiche Hygiene-Maßnahmen, die aber so geschickt verpackt werden, dass von einer „klinischen“ Atmosphäre keine Rede sein kann. Entsprechend sind bei dieser Shakedown Cruise auch ausschließlich desinfizierte Koffer sowie geimpfte und getestete Touristiker an Bord. Denen sich schon bei Ankunft am Terminal in Lissabon ein toller Anblick bietet: Die Silver Dawn sticht als elegantes, schnittiges Schiffchen zwischen den anderen schwimmenden Riesenklötzen hervor.

Das Design

Der erste Weg an Bord führt natürlich in die Suite. Zurücklegen muss man ihn über einen Teppich, dessen brauner Schnörkel-Look sich am ehesten als eine Kombination aus Keith-Haring-Bild und ausgelaufener Giraffe beschreiben lässt. Große grüne Wirbel setzen zusätzliche, überraschende Akzente. In der Suite selbst wird es dann deutlich ruhiger fürs Auge: Hier bestimmt dezentes Beige versehen mit leichten Mint-Tupfern das Interieur. Die öffentlichen Bereiche (Foto: Panorama-Lounge) haben ebenfalls einen Nicht-Angriffspakt mit den Augen geschlossen: Sehr klassisch mit zart modernen Noten – quasi genau mittig ausbalanciert zwischen amerikanischem Plüsch-Luxus und cleanem Scandinavian Chic. Auch hier geben elegante Braun-Nuancen den Ton an. Crazy Design-Ideen sucht man vergebens, dafür gibt es auch nichts, woran man sich stößt. Perfekt geeignet für die angepeilte Zielgruppe: Baby Boomer, die jetzt in Rente gehen und viel Zeit und Geld haben. Erfahrungsgemäß kommen die meisten Gäste aus UK und den USA, der DACH-Markt kann sich ruhig noch ein größeres Stückchen abschneiden. Das unaufgeregte Interior Design – das übrigens identisch zu dem der Schwesterschiffe ist – dürfte jedenfalls dafür sorgen, dass sich hier jegliche Nationalität wohlfühlt.

Die Suiten

Ich bin in einer Veranda Suite untergebracht. Auch diese gleichen denen auf der Silver Moon. Mein 36-Quadratmeter-Reich hat den klassischen Aufbau einer Kreuzfahrt-Suite: Vom Eingang her betrachtet kommen Badezimmer, begehbarer Kleiderschrank, Bett und Wohnzimmer-Bereich. Abschluss ist der Balkon mit Tischchen und zwei Stühlen. So weit, so erwartbar. Im Bad dann mehrere freudige Überraschungen: Ich habe sogar in dieser Kategorie eine richtige, tiefe Badewanne. Und der gesamte Raum strahlt eine hohe Wertigkeit aus: Edle hellgraue Granitfliesen, der Boden in Holz-Optik, eine hervorragende Beleuchtung. Und jede Menge Ablage! Eins mit Sternchen. Nur bei der Eck-Dusche – die für mich völlig okay ist – frage ich mich, ob mein Mann mit seinen breiten Schultern da auch ausreichend Bewegungsraum hätte.

Bei meiner Ankunft liegt ein schickes, schwarzes Bulgari-Täschchen auf dem Bett. Sein Innenleben besteht aus Hand-Desinfektionsgel, Masken und Co. – so stylish kommt Hygiene selten daher! Ich habe den Gedanken „Dafür ist die tolle Tasche fast zu schade!“ noch gar nicht richtig zu Ende gedacht, da sehe ich mehrere Damen auf dem Gang, die besagtes Täschchen zur Clutch umfunktioniert haben. Well done, Silversea: Eine Notwendigkeit in eine freudige Überraschung umzuwandeln, ist die ganz hohe Kunst im Luxussegment.

Bleiben wir noch einen Moment beim Bett: Die Silver Dawn ist mit speziell angefertigten Matratzen ausgestattet, im Rahmen des Otium-Konzepts (siehe unten) können Gäste zudem aus den fünf Optionen des Pillow-Menüs auswählen. Alles ist in feinsten weißen Zwirn gehüllt und fühlt sich superweich an. Oder, wie es eine Mitreisende aus Südafrika formuliert: „Ich gehe jetzt in mein Marshmallow-Bett!“. Die wonneweiche Schlafstatt kann man auch problemlos genießen: Direkt am Bett ist der Masterswitch, der unkompliziert auf Knopfdruck alles dunkel macht. DANKE, liebes Lichtdesign-Team!

Die Kulinarik

Die Silver Dawn ist nach der Silver Moon das zweite Schiff mit dem kulinarischen S.A.L.T-Konzept. Wir erinnern uns: S.A.L.T steht für „Sea And Land Taste“, und es ist unfassbar ausgeklügelt. Für jeden einzelnen der rund 900 Häfen, die Silversea anfährt, wurden urtypische regionale Gerichte recherchiert. Nicht das, was man heutzutage Touristen als „total original“ andreht, sondern Speisen, die hier wirklich seit Generationen von den Einheimischen gekocht werden. Wie bierernst Silversea das Thema nimmt, wird spätestens klar, wenn man erfährt, dass sogar eine Food-Anthropologin involviert ist.

Was die Gäste davon haben: Sie können jede einzelne Destination erschmecken, und zwar entweder im Restaurant S.A.L.T. Kitchen, wo man einfach nur aus den exotisch klingenden Gerichten des jeweiligen Hafens auszuwählen braucht, oder indem sie selbst den Kochlöffel schwingen. Das geht wahlweise an Bord im S.A.L.T. Lab, einer todschicken kleinen Kochschule, oder bei den S.A.L.T.-Landausflügen. So oder so: Bei jeder Variante erfährt man spannende Hintergrund-Infos zu den Gerichten und ihrer Geschichte.

Das gilt übrigens auch für flüssige Genüsse: In der über und über mit bunten Flaschen geschmückten S.A.L.T. Bar (Foto) gibt es speziell zur Destination kreierte Drinks. Ich gönne mir den Cocktail "Enchanted Moura" mit weißem Portwein und Portugals berühmtem Vinho Verde. Auf die Silver Dawn!

Eines gilt es zu beachten: Diese Speisen und Getränke sind authentisch, also nicht unbedingt dem modernen nordeuropäischen Gaumen angepasst. Kann man also mögen, muss man aber nicht. In dem Fall sind die flinken Kellner sofort zur Stelle, um Alternativen vorzuschlagen. Und wer so gar nicht experimentierfreudig ist, probiert sich einfach durch die anderen sieben Restaurants an Bord. Kleiner Tipp: Wer mal für kleine Reiseprofis muss, macht sich besser rechtzeitig auf den Weg: Auf Deck 4, wo sich gleich vier F&B Outlets inklusive des Hauptrestaurants Atlantide tummeln, befindet sich nur eine einzige Damen-Toilette. Pardon, aber dass das keine gute Idee ist, sollte sich mittlerweile rumgesprochen haben.

Die Ausflüge

Während der Shakedown Cruise stehen natürlich auch viele der Ausflüge ganz im Zeichen von S.A.L.T.. Ich habe Glück und erwische einen Kochkurs, der im coolen Mercado da Ribeira abgehalten wird – mitten im Food Court in einem großen Glaskasten (Foto). So schnell wird man selbst zur Touristenattraktion… Wir backen Pasteis de Nata, die leckeren kleinen Creme-Törtchen, für die Portugal berühmt ist. Bevor die ganze Gruppe losrührt, gibt es noch einen kurzen Spaziergang durch den Markt mit spannenden Hintergrund-Infos.

Dann geht’s los: Unter fachkundiger Anleitung des Kochs und Food-Stylisten Miguel Mesquita kochen, rühren und mixen wir. Größte Herausforderung ist das Formen der kleinen Blätterteig-Böden – doch Mesquita weiß, wie er seine Schüler motiviert: Die Küchlein, die krumm und schief werden, bezeichnet er zwinkernd als „Frankenstein-Pasteis“. Sie können sicher sein: Alle haben nur sorgfältig geformte Pasteten abgegeben! Während die kleinen Leckereien im Ofen vor sich hin backen, gibt’s für die fleißigen Hobby-Köche lokalen Lunch in Form von gigantischen Langusten. Für Nachtisch ist kein Platz mehr im Magen, daher bekomme ich meine Pasteis de Nata in einer Schachtel mit aufs Schiff.

Das Spa

Jetzt bin ich gespannt auf das neue Wellbeing-Konzept: Ich habe im wirklich großzügig gestalteten Spa das Signature Treatment Otium gebucht – 100 Minuten Wellness-Wonnen! An der Spa-Rezeption werde ich in die Hände von Therapeutin Sandra übergeben. Ich darf aus drei Massage-Ölen meinen Favoriten erschnuppern und los geht’s: Sandra fragt vorbildlich vorab, ob mir die Raumtemperatur und die sanfte Musik recht sind. Wenn sie jetzt noch gefragt hätte, ob es bestimmte Körperteile gibt, die sie lieber auslassen soll, und wie stark der Massage-Druck gewünscht ist, wäre das das i-Tüpfelchen gewesen. Schnell stelle ich fest: Sandras energische Hände wissen genau, was sie tun. Leider wird das duftende Öl recht sparsam eingesetzt, so dass manchmal ganz schön Reibung entsteht und das Abschalten etwas schwerer fällt. Dennoch sinke ich schließlich in die typische Massage-Trance.

Den Rest der 100 Minuten bestreite ich selbst: Ich darf mir aus drei Optionen mein favorisiertes Peeling aussuchen. Anschließend heißt es: Ab in den Dampfraum, damit sich die Poren öffnen, im Anschluss unter der Dusche mit Peeling einreiben und dann noch in die Sauna. Begeistert will ich loslegen und habe schon die Klinke des Dampfraums in der Hand, da fällt mein Blick durch die Glastür auf eine Passagierin, die schon vor sich hinschwitzt. Im Bikini. Den ich natürlich nicht unter dem Bademantel trage, da ich direkt von der Massage komme. Gerade noch die Kurve gekriegt: Dies ist ein amerikanisches Produkt, entsprechend geht man natürlich nicht im „Birthday Suit“ in die Sauna oder den Dampfraum. Oops! Ich nehme das Peeling lieber mit auf meine Suite.

Suite ist ein gutes Stichwort, denn das Otium-Konzept erstreckt sich weit über das knapp 800 Quadratmeter große Spa hinaus. Hintergrund: Silversea möchte ein Statement setzen, dass sich Wellbeing und Genuss nicht ausschließen. Und so werden nicht nur im Spa auf Wunsch Champagner und Schokolade gereicht, sondern es stehen auch vier Otium Experiences zur Auswahl, die man in den eigenen vier Wänden erleben kann. Der Wohlfühlgedanke ist dabei der rote Faden. Nummer eins ist wenig erklärungsbedürftig: Comfort Food. Will man auf seiner Suite gemütlich fernsehen, bringt der Butler im Handumdrehen getrüffeltes Popcorn und andere Köstlichkeiten. Geht’s anschließend in die Federn, erlebt man schon die nächste Experience: Das bereits erwähnte Kopfkissen-Menü. Das dritte Otium-Erlebnis ist die sogenannte Bathing Experience: Mit einem Viertelstündchen Vorlauf bereitet der Butler im Badezimmer ein duftendes Schaumbad vor, (unechte) Kerzen, Champagner und edle Pralinen inklusive. Nummer vier führt nach draußen: Die Balcony Experience, deren Ausgestaltung sich nach der Destination richtet, und die sich so charmant anhört, dass ich sie auf dieser Reise garantiert noch ausprobiere… Gut zu wissen: Dies soll laut Silversea-Marketingchefin Barbara Muckermann erst der Anfang sein – in Sachen Otium sei noch einiges in der Pipeline.

Der Service

Wie bei Silversea üblich, kommt man in jeder Suitenkategorie in den Genuss des Butler-Service. So auch jetzt: Obwohl Chester sich um insgesamt zehn Suiten kümmern muss, ist er stets im Handumdrehen zur Stelle, wenn ich am Telefon aufs Butler-Knöpfchen drücke. Er ist wahnsinnig höflich und umsichtig, begegnet mir aber keineswegs unterwürfig – was jedes Gespräch sehr angenehm macht. Er drapiert das Suiten-Frühstück liebevoll auf dem Couch-Tisch (der zu diesem Zweck mit einer im Kleiderschrank verborgenen Tischplatte ruck-zuck auf die doppelte Fläche anwächst), schummelt mir gleich am ersten Tag die heißgeliebte Cola Zero in die Mini-Bar (die offensichtlich gar nicht für die Suiten vorgesehen ist und ab Tag 2 leider wieder durch Cola Light ersetzt wird) und legt sich mit sperriger Technik an: Aus irgendeinem Grund wollen bei mir weder Heizung noch Warmwasser mitspielen, aber Aufgeben kommt für Chester nicht in Frage. Am dritten Tag gewinnen er und die damit betrauten Techniker den Kampf. Ta-daa: Kuscheltemperatur!

Auch überall sonst an Bord treffe ich auf lächelnde Augen (die Crew trägt durchgehend Maske) und Menschen, denen es sichtlich Freude macht, ihre Gäste zu verwöhnen. Und egal, wann ich wo zu welchem Anlass sitze: Stets ist blitzartig jemand zur Stelle, der mich nach meinen Wünschen befragt.

Der einzige Glitsch passiert leider ausgerechnet dann, als ich das neue Otium-Konzept testen möchte: Gemeinsam mit einer versierten Kreuzfahrt-Expertin will ich die „Balcony Experience“ ausprobieren, die sich nach der Witterung richtet. In unserem Fall bedeutet das: Kuschelige Kaschmir-Decken, heiße Milch und Kugeln aus weißer, dunkler und Milchschokolade. Mit einem winzigen Schneebesen kann man sich daraus seine individuelle heiße Schokolade kreieren und diese mit „Schuss“ verfeinern. Prima, heute ist es ohnehin ganz schön frisch draußen! Morgens für 15 Uhr bestellt, um 14 Uhr nochmals bestätigt bekommen, und dann: Nichts. Hm. Nach einem Viertelstündchen telefonisch nachgehakt. Dann nochmals. Mit 75 Minuten Verspätung trifft alles ein – leider sitze ich da schon wieder im nächsten Termin und kann hinterher nur die Fotos bewundern. Fällt unter die Kategorie „Shakedown-Erfahrung“ – das ruckelt sich alles noch zurecht. Vielleicht möchte man aber auch nur figurfreundlich agieren: Das silberne Schälchen, das allabendlich vom Turndown Service aufs Bett gelegt wird, enthält auch nur an einer von vier Nächten eine kleine Gute-Nacht-Schokolade. Die anderen Male liegt es blitzblank, aber leer da.

Fazit

Kleine bauliche Veränderungen wie etwa die neu platzierte Dolce Vita Bar auf Deck 5 und das vergrößerte Spa verfeinern das Konzept der beiden Vorgängerschiffe noch ein bisschen, darüber hinaus bietet die Hardware keine großen Überraschungen: ein hochwertiges, mit jeglicher Zielgruppe kompatibles Luxusschiff. Überzeugend sind einmal mehr das Silversea-typische All-Inclusive-Konzept und die rundum sympathische Crew. Das unglaublich konsequent durchdachte S.A.L.T.-Konzept dürfte die Zielgruppe der Foodies auch für dieses Schiff erschließen. Otium legt einen charmanten Start hin, muss aber noch ein bisschen Gas geben, wenn ein wirklicher Wow-Effekt erreicht werden soll. Aber grundsätzlich sind die LuxusInsiderinnen ganz bei der wunderbaren Barbara Muckermann und ihrem eingeschlagenen Weg: Wohlbefinden und Genuss dürfen und sollten Hand in Hand gehen – gerade auf einem Kreuzfahrtschiff.

Kontakt für Reise-Profis: Alexander Boysen, Sales Director DACH