Branchenblick

Luxus-Spezialisten steigen ins DMC-Business ein

Wieso nur wegschicken, wenn man auch empfangen kann? Immer mehr Luxusreise-Spezialisten aus dem DACH-Markt erliegen dem Lockruf des Incoming-Geschäfts und bauen sich ein zweites Standbein als DMC auf. Wieso jetzt? Was bringt das? Und: Können die das überhaupt? LuxusInsider hat mit zwei spannenden neuen Playern und einem Pionier auf dem Gebiet gesprochen. Das Wort haben Roman Mehrow, Norbert Pokorny und Margot Deh!


von Iris M. Köpke

Der Pionier: Suisse Selection (Zielgebiet: Schweiz)

In wenigen Wochen werden Kartons gepackt: Mitte August bezieht die Schweizer DMC Suisse Selection, die sich aktuell noch die Räumlichkeiten mit dem Luxusreise-Veranstalter RSelection teilt, ihre eigenen Räumlichkeiten. Mit mittlerweile drei Teammitgliedern wird es sonst ein bisschen zu eng. Klingt nach einer Erfolgsstory, oder? "Die Idee entstand, weil unsere internationalen Agenturkontakte, die wir durch Serandipians oder Advisory Boards kennen, immer mal wieder angefragt haben, ob wir nicht etwas für ihre Kunden in der Schweiz machen können," erinnert sich Gründer Roman Mehrow. "Die Anfragen nahmen immer mehr zu, und irgendwann haben wir gedacht 'Warum eigentlich nicht?'. Es gibt ja auch kaum Mitbewerber, und wir wollten die Nische der tailormade Luxusanbieter besetzen. 2019 haben mein Mann und ich dann an den Wochenenden die Website gebaut. Wir hatten damals ein sehr erfolgreiches Jahr – es konnte ja keiner ahnen, was danach kam."

Kurz darauf schlug die Pandemie zu, und das Ganze lag zunächst auf Eis. "2021 traf ich mich dann mit meiner Freundin Carole Maurer-Baumann, die lange Zeit im Baur au Lac gearbeitet hatte. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen", sagt Mehrow schmunzelnd. "Ich sagte 'Lass uns das zusammen zum Fliegen bringen!' und wir haben Suisse Selection offiziell als eigenständige Firma gegründet. Heute ist sie Mitinhaberin und Geschäftsführerin und verantwortet das operative Tagesgeschäft."

Aus Budgetgründen konnte man natürlich nicht alle Quellmärkte gleichzeitig angehen, und da Maurer-Baumann schon in ihrer Hotelkarriere den nord- und südamerikanischen Markt betreut hatte, konzentrierte man sich auf diese Kundschaft. "Das hat sich als goldrichtige Entscheidung herausgestellt", zieht Roman Mehrow Bilanz. "Gerade Amerikaner und Brasilianer kommen nach wie vor in Scharen nach Europa. Sie sind nicht sehr preissensibel, dafür aber gerne mal kompliziert. Europäische Agenturen sind uns selbstverständlich auch jederzeit willkommen, buchen uns aber eigentlich nur, wenn sie wirklich Experiences brauchen und nicht für einen simplem Ski-Urlaub." Wichtig zu wissen: "Experience only" gibt's nicht – das würde sich einfach nicht rechnen. Agenturen müssen das ganze Paket samt Hotels buchen. "Das ist auch kein Nachteil für die Agenturen", so Mehrow. "Als Mitglied von Internova können wir die meisten Benefits auch ermöglichen, die man über andere Buchungskanäle erhält."

Sein Fazit: "Unser Konzept hat im Grunde genommen genau so funktioniert, wie wir es ursprünglich geplant hatten, auch wenn wir immer mal wieder feinjustieren und erweitern. Natürlich braucht es seine Zeit, bis man ein neues Unternehmen etabliert hat. Man muss die Startinvestition machen, vor allem fürs Personal. Aber dieses Jahr läuft es super: Wir haben zum Stichtag 30. Juni schon den gesamten Vorjahresumsatz eingebucht – entsprechend war jetzt auch der richtige Zeitpunkt, das Team um ein Mitglied zu erweitern." Ein Selbstläufer ist das DMC-Business dennoch nicht: "Du musst Türklinken putzen, präsent sein und Dich ständig in Erinnerung rufen", so Mehrow. "Und die große Frage ist jetzt natürlich, wie sich das Europa-Geschäft weiterentwickeln wird. In den vergangenen Jahren gab es viel Nachholbedarf, nun sehen wir, dass es in diversen Mittelmeerländern noch freie Hotelkapazitäten gibt und die Preise sich normalisieren", fasst der Touristik-Experte zusammen. Optimistisch ist er dennoch: "Nichtsdestotrotz wird die Schweiz immer als sicherer Hafen punkten. Ja, die Destination kostet viel. Aber sie steht für Neutralität und Qualität – man weiß, dass die Dinge hier funktionieren. Der Kunde bekommt also etwas für sein Geld."

Und was sagt er zu der wachsenden Konkurrenz? "Für die Schweiz als Destination ist das natürlich schon gut. Als Suisse Selection sehe ich mich bestätigt. Bei einigen neuen DMCs in der Schweiz weiß man nicht mal so genau, welcher internationale Anbieter eigentlich dahinter steckt. Bei uns ist es ein Schweizer Team mit Herz, das das Zielgebiet auch wirklich kennt. Und da bin ich selbstbewusst: Schlussendlich geht es hier um Vertrauen und Connections – und wir genießen genug Vertrauen, um auch weiterhin wachsen zu können."

Roman Mehrow

Geschäftsführer Suisse Selection

Zu Suisse Selection

Norbert Pokorny

Geschäftsführer Art of Travel Partner

Zu Art of Travel Partner

Margot Deh

Geschäftsführerin Expect Some Rain

Zu Expect Some Rain

Neueinsteiger 1: Art of Travel Partner (Zielgebiet: Europa)

"Ich zahle mit meinem guten Namen" – die Älteren unter Ihnen kennen den ehemaligen Werbespruch von American Express vielleicht noch. Eine ähnliche Strategie scheint der Münchner Luxusreise-Veranstalter Art of Travel bei der Benennung seiner neuen DMC-Sparte zu verfolgen: Anstelle von kreativen Ergüssen bleibt man bei dem, was bereits etabliert ist und nennt das Ganze schlicht und ergreifend Art of Travel Partner.

Die Partner, das sind natürlich die auf Luxusreisen spezialisierten Reisebüros – Geschäftsführer Norbert Pokorny und sein Team wollen ausschließlich B2B anbieten. "Wir haben zwei Gründe für dieses Geschäftsmodell: Zum einen stellen wir schon seit der Gründung von Art of Travel immer wieder fest, dass es im Luxussegment auch für uns nur sehr wenige DMCs gibt, die wirklich in der Lage sind, Inspiration, das Öffnen von Türen und eine nahtlose Reiseerfahrung auf Top-Level anzubieten", so Pokorny. "Zudem wissen wir durch unsere Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern und Reisebüros aus aller Welt, dass sie mit genau diesem Problem zu kämpfen haben, wenn sie ihren Kunden eine Europa-Reise zusammenstellen. Insbesondere das Kombinieren mehrere europäischer Länder scheint bei den DMCs eine große Herausforderung zu sein."

Und das bei einer ausgesprochen anspruchsvollen Klientel, für die After Hours Access, Top-Guides, ein hohes Sicherheitsniveau und Privat-Jets quasi zum Standard gehören. "Natürlich ist es eine große Aufgabe, das auf dem Level umzusetzen, was wir im Outbound von unseren weltweiten DMC-Partnern erwarten. Aber was wir einfordern, wollen wir jetzt auch anbieten", so der Art-of-Travel-Chef. "Die Entwicklung war dabei ein ganz natürlicher Prozess: Nach der Pandemie mehrten sich die Anfragen, ob wir nicht auch Inbound machen. Wir haben auch immer mal wieder einzelne Anfragen angenommen, stellen jetzt das Thema aber professionell mit einem eigenen Team auf und heben es auf ein ganz neues Level", sagt Pokorny. Das ist natürlich kein Pappenstiel: "Wir müssen unsere gesamte Orga auf zweisprachig umstellen, sowie Themen wie etwa Visa und internationale Flüge ganz anderes andenken und anbieten. Datenschutz, AGB… es sind viele Komponenten, die wir jetzt anders betrachten müssen, um den professionellen Rahmen für ausländische Kunden zu schaffen – und die ticken auch nicht 1:1 wie deutsche Reisende." Der Aufwand soll sich natürlich lohnen: Auch er schätzt die Tatsache, dass internationale Kunden nicht solche Preissensibelchen sind wie die Deutschen und für eine angenehme Marge sorgen.

Und, ähm, diese Frage sei erlaubt: Es gibt Mitarbeiter, die sich das "antun" (vor dem inneren Auge der Autorin dieser Zeilen erscheint ein übellauniger US-Millionär mit MAGA-Mütze)? "Ich habe das große Glück, dass ich zwei wunderbare Mitarbeitende im Team haben, denen genau diese Art von Kundenbetreuung Freude macht und die auch den entsprechenden Anspruch an sich selbst haben. Denen geht es darum, Kunden auf diesem Level glücklich zu machen." Die Verbindung zu den UHNWI-Kunden wird laut Pokorny oft von ICs oder One-Person-Agencies hergestellt, die ihre Kunden sehr eng, persönlich und rund um die Uhr betreuen. Nach der Übergabe ist es dann an dem Art-of-Travel-Partner-Mitarbeitenden, dem Kunden seine Wünsche und Vorlieben zu entlocken. "Das ist ein irrsinniger Vertrauensvorschuss, den diese Partner-Agenturen uns da gewähren. Und da gilt es natürlich, so ein Vertrauen nicht zu zerstören."

Anbieten möchte man all das, was Art of Travel auch anbietet – nur eben innerhalb Europas. "Wir konzentrieren uns nur auf absoluten Ultra-Luxus", skizziert Geschäftsführer Pokorny den Weg. Closed Access, Food, Autos, Begegnungen mit besonderen Menschen – alles, was dem Kunden einen intensiven Einblick in das Leben in Europa bietet, soll möglich gemacht werden. Dafür setzt der Unternehmer auf sein in 34 Jahren aufgebautes Netzwerk und das bisherige Feedback der Partner-Agenturen. "Wir haben bereits die Erfahrung, internationale Kunden zu betreuen – und das ist das Wertvollste, was man haben kann." Sein Antrieb für den Kraftakt: "Ich bin überzeugt, dass wir Tour Operator schauen müssen, wo wir in diesem lukrativen und somit immer umkämpfteren Markt noch Nischen finden. Die Zeiten in denen wir sagen konnten, dass unser Wissen unser USP ist – die sind vorbei. Stichwort AI: Wir müssen uns fragen, wo wir eigentlich in fünf bis zehn Jahren stehen werden," erläutert Pokorny. "Und wir müssen uns unternehmensstrategische Ziele setzen in einem Markt, der sich noch sehr verändern wird. Ich bin überzeugt, dass die Internationalisierung für uns noch sehr wichtig werden wird. Wir als deutscher Reiseveranstalter müssen uns für die Zukunft viel internationaler aufstellen – und das hier ist ein wunderbarer Start." Wichtiges Stichwort: Wann soll's denn eigentlich losgehen? "Wir starten diesen Sommer durch", freut sich Pokorny. "Die Website ist fertig und wir beginnen jetzt, unser internationales Netzwerk proaktiv anzusprechen."

Neueinsteiger 2: Expect Some Rain (Zielgebiet: DACH)

Erstmal vorweg: Einen cooleren Namen für eine DACH-DMC gibt es wohl kaum. Da hüpft das Journalistenherz! "Es war gar nicht so einfach, einen englischsprachigen Namen zu finden, der alle drei Länder beschreibt und von dem die Internet-Domain noch frei ist", sagt Geschäftsführerin und Co-Owner Margot Deh. Luxus, Deluxe, Preferred… das alles erschien ihr und den Mitinhabern Ulrike Velten und Björn Hoffmann (beide Salt & Green) zu abgedroschen. Sie erinnert sich schmunzelnd: "Und so saßen wir mit Karteikarten, auf denen je ein Buchstabe stand, und haben uns Begriffe dazu überlegt. Bei 'E' wie 'Expectations' sind wir dann hängen geblieben und diskutierten über die Erwartungshaltung unserer künftigen Klientel. Und während wir überlegten, was die drei Länder den anspruchsvollen Kunden denn so alles bieten, sagte plötzlich jemand in den Raum 'Manchmal regnet's da auch.'" Zack, ein genialer Name war gefunden.

"Für Endkunden hätte der Name vielleicht einen leicht negativen Touch", so Deh. "Aber wir bieten ausschließlich B2B-Geschäft an, und der Trade versteht diese Art von Ironie. Außerdem bleibt der Name hängen und ist ein toller Eisbrecher bei Messe-Gesprächen." Auch ein Stückchen Firmenphilosophie steckt drin: "Meiner Erfahrung nach kommt Ehrlichkeit immer gut an. Und es regnet hier nun mal ab und zu."

Kurz zurückgespult: Bis 2021 saß Margot Deh in der Geschäftsführung von Art of Travel, Anfang 2024 verkaufte sie ihre Anteile am Unternehmen. Im November 2024 gründete das Trio dann Expect Some Rain. Praktisch: Aktuell sitzt Geschäftsführerin Deh in den Räumlichkeiten von Salt & Green. "Das ist toll, denn ich schätze den täglichen Austausch sehr." Doppelt praktisch: Das Büro nebenan ist auch schon angemietet, so dass Platz genug für alle ist und man sich Besprechungsraum & Co. teilen kann.

Das kollegiale Miteinander ist auch einer ihrer Motivationsfaktoren: "Seit meinem Ausscheiden bei Art of Travel habe ich mir Gedanken gemacht, was ich jetzt gern machen möchte. Ich brauche eine Beschäftigung, und ich bin jetzt nicht der Typ, der töpfert oder so etwas in der Richtung. Zudem fehlte mir der Austausch mit den Kollegen." Okay, aber warum gerade eine DMC? "DMC-Services für den DACH-Raum in der Luxusnische anzubieten, ist naheliegend, weil ich mich mit der Denkweise, den Wünschen und Bedürfnissen dieser Kunden gut auskenne."

Dass das ein arbeitsintensiver Weg wird, darüber macht sie sich keine Illusionen: "Die Produktkenntnis muss man sich aneignen, das ist eine Riesenaufgabe. Ich bin aktuell dabei, das Portfolio aufzubauen und treffe mich mit Hoteliers, Guides und Transfer-Anbietern. Ich gehe auch davon aus, dass die Kunden die drei Länder kombinieren werden. Wir lernen immer noch sehr viel, ganz klar." Und mit einem schönen Portfolio ist es natürlich auch nicht getan: "Ich habe lange an der Website gearbeitet – ohne eine schöne Website wollte ich nicht in den Markt eintreten. Jetzt erstelle ich gerade das Company Profile. Allein die Bilder auszusuchen, ist ein großer Aufwand."

Und wann geht's los? "Ich bin noch am Produkt-Aufbau und daher bisher noch nicht in Marketing und Vertrieb eingestiegen. Damit starten wir jetzt. Im Herbst betreuen wir bereits die ersten Kunden. Wir planen auch, als Aussteller auf Messen wie der LE Miami präsent zu sein", so Geschäftsführerin Deh. "Denn auch wenn man nicht genau weiß, wie es mit den USA weitergeht, wird diese Zielgruppe sicherlich weiterhin nach Europa reisen. Und diese internationalen Kunden stehen uns auch kulturell am nächsten – China und Indien etwa würde ich mir zum Einstieg nicht unbedingt zutrauen."

Eines wäre noch wichtig: Eine reine Beschäftigungstherapie ist Expect Some Rain ganz und gar nicht. "Ich mache das natürlich schon, um Geld zu verdienen. Mein Ziel ist es, so viele Kunden zu haben, dass die Firma langsam und nachhaltig wächst." Und natürlich sollen auch die Kunden von der Arbeit der DMC etwas haben: "Ich möchte den Gästen die Essenz der jeweiligen Region zeigen – ob durch das Zusammentreffen mit besonderen Menschen oder durch das Backen von Lebkuchen."

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