Branchenblick
So trifft die FTI-Insolvenz das Hochwert-Segment
Die FTI-Insolvenz erschüttert die Branche – und auch das Luxusreise-Segment ist betroffen. Alle Augen richten sich jetzt auf den Berliner Luxus-Spezialisten Windrose. Wie geht es weiter, was sagen die Mitbewerber, wie reagieren die Endkunden? Und vor allem: Wie geht der Vertrieb mit dieser Hiobsbotschaft um – ist das Vertrauen in die Veranstalter nun endgültig erschüttert? Neben der wie üblich rührigen Gerüchteküche gibt es auch bestätigte Fakten und klare Aussagen von Marktbegleitern, die wir Ihnen hier zusammengestellt haben.
von Iris M. Köpke

Am 3. Juni hat die FTI Group Insolvenz angemeldet. Das kam einerseits überraschend, da zuvor die Rettung durch einen Investor angekündigt worden war. Andererseits war es aber auch ein offenes Geheimnis, dass bei dem Münchner Reiseveranstalter schon seit einer Weile Sand im finanziellen Getriebe war. Entsprechend genau haben einige Branchenteilnehmer hingeschaut: "Das hat man schon vor einigen Monaten absehen können, dass diese Insolvenz kommt", sagt etwa Timo Kohlenberg, Geschäftsführer von America Unlimited und der Luxusreisen-Marke Feinreisen. "Ich habe viele Kontakte in die Politik, die auch nachdem der potenzielle Investor aufgetaucht war, sehr skeptisch waren, dass eine Rettung noch möglich ist und dass weitere Staatshilfen gewährt werden. Jetzt tun mir natürlich die betroffenen Mitarbeiter extrem leid, aber grundsätzlich ist es richtig so: Schlechtes Management muss bestraft werden. Wir Mittelständler würden in so einem Fall auch kein Geld vom Staat bekommen." Derzeit spürt er die FTI-Insolvenz in der eigenen Tasche – im positiven Sinne: "Wir erfahren gerade einen enormen Zulauf von Reisebüros, die versuchen, die Reisen ihrer Kunden zu retten – und das nicht nur für das Zielgebiet USA."
Natürlich wirkt sich die Situation aber nicht nur auf Agenturen aus, deren Buchungen ganz konkret betroffen sind. "Ich lade unsere Agentur-Partner derzeit in mehreren Städten zu Dinner-Events in Sterne-Restaurants ein und werde von den Reisebüros viel auf dieses Thema angesprochen, weil sie verunsichert sind", berichtet Dirk Gowin, Gründer und Geschäftsführer von Select Luxury Travel. "Aber es geht nicht nur um den Vertrieb: Diese Insolvenz erschüttert das Vertrauen in die gesamte Reisebranche. Gerade erst habe ich im Flieger eine Unterhaltung zweier Damen mit angehört: 'Man kann ja gar nicht mehr im Reisebüro oder beim Veranstalter buchen – man weiß ja nicht, was die mit dem Geld machen' hieß es da. Und sogar in der Reisegruppe aus Endkunden und ihrer Agentur, mit der ich gerade unterwegs bin, werden plötzlich Zweifel laut, ob das noch sicher ist." Sein beunruhigendes Fazit: "Durch die zweite große Pleite nach Thomas Cook haben die Kunden das Vertrauen in die Branche verloren." Er vermutet, dass jetzt eine Buchungsdelle folgt, da vielleicht manch ein Gast doch lieber eine Direktbuchung im Hotel vornimmt – vielleicht ja mit einer Kreditkarte, bei der erst nach dem Check-in abgebucht wird.
Auch Verena Weigelt, Inhaberin und Geschäftsführerin des LCC-Reisebüros Fyne Travel by Schmidt & Partner, reagiert betroffen: "Diese Gesamtsituation tut schon weh. Aber wenn die Konditionen stimmen, werden wir auch weiterhin bei Veranstaltern unterbuchen. Das wird allerdings allgemein immer schwieriger, weil diese keine Kontingente mehr haben, und die Bestätigung für unsere anspruchsvolle Kunden einfach zu lange dauert." Der Angst, dass dabei etwas schiefgehen kann, begegnet sie professionell: "Passieren kann natürlich immer etwas – das lässt sich einfach nicht komplett ausschließen." Dennoch hört sie auf ihr Bauchgefühl: "Wir haben seit der Übernahme durch FTI gar nicht mehr bei Windrose gebucht – da fehlte mir, ehrlich gesagt, das Vertrauen. Eigentlich schade, denn das Windrose-Team war immer toll!"
Christoph Berner hingegen, Inhaber von Berner Travel, gehört zu den direkt betroffenen Agenturen: "Wir haben aktuell ein oder zwei Baustein-Buchungen bei FTI platziert, die ja nicht über den Reisesicherungsfonds abgedeckt sind. Das Geld ist wohl verloren, zum Glück waren es aber keine großen Summen. Ich finde diese Entwicklung sehr schade, werde aber weiterhin bei Veranstaltern unterbuchen – ich habe keine große Sorge, dass sich bei TUI oder Dertour etwas ähnliches abspielen wird." Und er spricht aus, was wohl viele gerade bewegt: "Ich bin sehr gespannt, wie es mit Windrose weitergeht."
Auch die großen Veranstalter befürchten ihrerseits keine allgemeine Verunsicherung im Vertrieb: "Wir glauben nicht, dass mit dieser Insolvenz ein genereller Vertrauensverlust des Vertriebs gegenüber Veranstaltern einhergeht", sagt etwa Airtours-Director Steffen Boehnke. Er ist überzeugt: "Ganz im Gegenteil, Reisebüros werden zukünftig noch sorgfältiger wählen, bei wem sie eine Buchung platzieren und die Wahl des Veranstalters auch im Kundengespräch bei sehr preisbewussten Kunden nicht unerwähnt lassen. Unseren Reisebüropartnern ist mit Sicherheit bewusst, dass Kampfpreise, die auf Dauer schlechte Margen ergeben, nicht zu unternehmerischem Erfolg führen können."
Die Windrose-Zukunft hingegen schätzt Silvio Rebmann, Geschäftsführer von Cube Travel und somit ein Berliner "Nachbar" des Veranstalters, ausgesprochen positiv ein: "Windrose ist ja eine eigene GmbH, die von der Insolvenzanmeldung gar nicht betroffen ist. Und es ist meiner Ansicht nach ein gut geführtes Unternehmen mit einer guten Marge – ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass sich da ein Käufer finden wird. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man so ein Asset untergehen lässt, dafür ist Windrose zu werthaltig." Hinzu kommt seiner Meinung nach noch ein anderer Punkt: "Ich glaube, dass viele Windrose-Kunden gar nicht wissen, dass die Marke zu FTI gehört. Entsprechend würde ich auch keinen großen Buchungseinbruch erwarten." Gut möglich, denn FTI war nach der Übernahme 2017 so klug, den Markenauftritt von Windrose komplett getrennt laufen zu lassen.
Die Fakten zu Windrose – Stand 24. Juni 2024
Dieser Info-Kasten wird laufend aktualisiert
- Windrose ist eine Marke der Windrose Finest Travel GmbH. Die GmbH ist zwar eine einhundertprozentige Tochter der Muttergesellschaft Travelco, die wiederum zu 100 Prozent FTI gehört, aber dennoch ein eigenständiges Unternehmen. Entsprechend ist die Windrose Finest Travel GmbH von der Insolvenzanmeldung nicht betroffen.
- Als eigenständige Gesellschaft gilt auch der Sicherungsschein von Windrose unverändert.
- Windrose ist quasi autark: Das Unternehmen hat ein eigenes Reservierungssystem, eine eigene Buchhaltung und eigene Teams für Sales und Marketing. Dort, wo es Abhängigkeiten zu FTI gab, etwa bei shared Services, wurde zu anderen Partnern gewechselt. Gut zu wissen: Da Windrose immer schon viele exotische Zielgebiete im Portfolio hatte, wurde von jeher mit vielen DMCs zusammengearbeitet – entsprechend gering sind die Abhängigkeiten von Meeting Point. Teilweise hat Windrose auch mehrere DMCs in einer Destination.
- Windrose führt die Geschäfte weiter. Auch wenn in dieser Situation natürlich niemand von "Business as usual" sprechen kann, werden alle Reisen durchgeführt und auch Neubuchungen angenommen. Auch Reisebüro-Partner platzieren derzeit neue Buchungen. Bis zum 12. Juli 2024 zahlt Windrose auf alle Neubuchungen zwölf Prozent Provision anstelle der üblichen zehn Prozent.
- Die Erreichbarkeit von Windrose ist wie gehabt gegeben – für Kunden, Partner und Reisebüros.
- Windrose erzielte (solange diese Zahlen bekannt gegeben wurden) viele Jahre lang stets den höchsten Durchschnittsreisepreis pro Person im deutschen Markt – von einer entsprechenden Liquidität dürfte also ausgegangen werden.
- Das 50-köpfige Team verbleibt in dieselben Mannschaftsstärke und nimmt es derzeit pro-aktiv mit allen Herausforderungen auf. Zudem wird die vor gut zwei Jahren gefasste Marken-Strategie weiterverfolgt.
- Es gibt mittlerweile eine Liste mit mehr als zehn potenziellen Käufern. Diese wird nun Stück für Stück durchgearbeitet, um die bestmögliche Lösung zu finden. Das könnte schnell gehen: TVG etwa hat der Insolvenzverwalter bereits verkauft.
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